Verkommt das Internet zum rechtsfreien Raum?

Meldungen über Internetbetrug, Datendiebstahl, Verkauf gefälschter Markenware, Urheberrechts-verletzungen, gehackte und missbrauchte Accounts häufen sich in letzter Zeit zusehends. Straftaten gegen Personen gehören vielerorts im Internet beinahe bereits zum üblichen Ton und Cybermobbing wird von vielen gar als lustig angesehen. Was ist aus dem Internet geworden, das nach wie vor von sehr vielen Usern noch als Inbegriff persönlicher Freiheit gesehen wird?

Diskutiert wird dieses heikle Thema sehr kontrovers, auch in Politik und Gesellschaft. Einerseits fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) mehr Datensicherheit und Sicherheit für den Verbraucher und auf der anderen Seite beharren Gruppen auf der völlig freien Nutzung des gesamten Internet und lehnen jede Kontrollmöglichkeit als angebliche Zensur rigoros ab. Ein riesiger Graben klafft zwischen den Rechten der betroffenen User gegen die vermeintlichen Rechte derjenigen, die ihre eigenen Rechte auf Kosten der Rechte anderer durchboxen. Ist aus dem Zitat „Freiheit ist immer die Freiheit anders Denkender“ etwas geworden wie „Freiheit ist, ungestraft die Freiheit Anderer zu missachten“? Ist dies die Richtung, die wir uns alle wünschen?

Selbst in der Bundesregierung sind die Meinungen geteilt, wie ein aktueller Artikel im Handelsblatt  berichtet. Demnach spricht sich Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) für eine neue Gesetzesgrundlage zur Verfolgung von Straftaten im Internet aus und tritt damit in die Fussstapfen der früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die sich bereits für eine bessere internationale Zusammenarbeit in Sachen Bekämpfung der Internetkriminalität eingesetzt hatte. Ilse Aigner geht jedoch mit der Forderung neuer gesetzlicher Regelungen noch einen Schritt weiter, allerdings auf nationaler Ebene. Dass nationales Recht sich jedoch durch „outsourcing“ leicht aushebeln lässt, wissen Cybergangster allerdings nicht erst seit gestern.

Ein grosses Problem sieht Frau Aigner vor allem auch darin, dass Online-Kriminalität meist als minder schwere Straftaten eingestuft werden und führt Studien an, nach denen rund jeder zweite Verbraucher im Internet schon einmal Opfer krimineller Handlungen geworden sei. Bessere Verfolgungsmöglichkeiten, auch auf ermittlungstechnischem und strafrechtlichem Weg sprechen hingegen wieder für eine nationale gesetzliche Neuregelung. Aus FDP Kreisen lehnt man erweiterte Möglichkeiten strikt ab, setzt darauf, mehr Vertrauen in die neuen Medien aufzubauen. Allerdings fordert man auch bei der FDP eine besser ausgestattete Polizei und eine bessere Ausschöpfung bestehender rechtlicher Möglichkeiten.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) sieht nach einer Meldung der Zeitung Die Welt keine staatliche Alleinverantwortung, sondern schiebt die Verantwortung der Gesellschaft zu. Auch de Maiziere meint jedoch, dass der Staat einen Ordnungsrahmen schaffen müsse, warnt aber parallel vor übertriebener Darstellung möglicher Probleme.

Derweil haben Betrüger, Abzocker und andere Cyberkriminelle weiterhin Hochkonjunktur, denn gerade im Endspurt des Weihnachtsgeschäfts ist noch so mancher Euro aus fremden Taschen abzugreifen. In der Onlinekriminalität zeigt sich auch immer mehr eine Internationalisierung der Täterbanden, die auf diese Art nationale Rechte oft genug erfolgreich auszuhebeln in der Lage sind. So lassen sich leicht Angebote aus oder über asiatische, karibische oder afrikanische Staaten in beliebigen Sprachen in alle Welt verteilen und auch Gelder per ePaying einsammeln, die nicht im Zweifelsfall rückbuchbar sind.

Nicht nur „kleine“ Verbraucher können Opfer von Internetkriminalität werden. Ein aktueller Fall belegt, dass sich derzeit selbst Branchenriese Google gegen ein betrügerisches Angebot zur Wehr setzen muss, das unter Missbrauch der Marke Google tausende Arbeitssuchende mit einem Verdienstangebot abgezockt hatte. Dabei ist Missbrauch grosser Marken kein Einzelfall. Auch das Logo von EBay wurde bereits für gefälschte Anzeigen missbraucht, wie auf dem Portal von T-Online berichtet wird. Vor diesem Hintergrund scheint auch die Aussage der Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner gegenüber der Presse, dass Internetkriminalität der IT-Branche wohl mehr schade als die Wirtschaftskrise, gar nicht mehr so abwegig. Die Frage nach weitreichender und effektiver internationaler Zusammenarbeit in der Bekämpfung von Cybergangstern aller Art wird sich mit ziemlicher Sicherheit früher oder später Wege auf die Tagesordnung der internationalen Politik bahnen.

© 12.2009 Norbert Warnke – mlm-network.biz

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