Die Branche in der Krise?

Widersprüchlicher geht es eigentlich kaum mehr. Es wird geklagt, gejammert, gigantische Erfolge proklamiert, von einer Boombranche geredet, sich dennoch aber gegenseitig nichts gegönnt, abgeworben, gespammt, unaufgefordert angerufen und Mitbewerbern eins ausgewischt, was das Zeug hält. Networker biedern sich MLM-Gegnern an, wettern mit diesen gemeinsam gegen den Rest der Branche in der Hoffnung, in Ruhe gelassen oder gar die eigene Seriösität bescheinigt zu erhalten. Hohe Verdienste ohne Arbeit werden versprochen und mit den Ängsten der Menschen gespielt, merkwürdige Lösungen und allerhand windige Wege aus der Krise propagiert. Man sieht es in manchem Forum täglich, dass mit harten Bandagen gekämpft wird, obwohl man gleichzeitig propagiert „Krise? nicht bei mir!“.

Es werden sogar Menschen angegriffen, deren Meinung denen der Angreifer selbst weitgehend entspricht und statt in der Sache gemeinsam vorzugehen und an gemeinsamen Zielen zu arbeiten, werden an Gleichgesinnte Vorwürfe erhoben, man würde sich nur profilieren wollen oder verfolge niedrige Beweggründe. Verfahrener kann es teilweise schon kaum noch werden, wenn man schon Gleichgesinnte versucht, mundtot zu machen, von nicht erkennbarer Logik mal ganz abgesehen.

Im Grunde ist diese Entwicklung nichts als eine logische Folge dessen, dass immer mehr und immer neuere Geschäfte aus In- und Ausland den Markt seit langem geradezu überschwemmen. Es vergeht keine Woche, in der es nicht wieder mindestens eine oder gleich mehrere Neugründungen, Prelaunches, Softlaunches oder Eröffnungen des europäischen oder deutschen Marktes gibt. Immer ist es das beste, was es je gab, was sich da neu auf den Markt drängt. Dabei wird der Markt durch mehr hinzuströmende Anbieter keineswegs grösser, sondern enger. Die Kuchenstückchen, die für die einzelnen Geschäfte übrig bleiben, verkleinern sich mit jeder neu angeschwemmten Gelegenheit des Jahrhunderts.

Dabei trifft die Networkschwemme nicht etwa auf einen gut informierten Markt und gut ausgebildete Interessenten, sondern bringt ein noch grösseres Informationschaos mit, als ohnehin bereits vorherrscht. Wo sich bei fünfzig Geschäften schon keine rechte Übersicht einstellen mochte, wie soll sie dies bei hundert, zweihundert und zunehmend mehr Anbietern und Angeboten können?

Es ist auch wahrlich nicht gerade leicht, sich selbst oder Andere zu informieren, denn zu jeder Info gibt es mehrere Argumente, die diese wieder ad absurdum führen. Träger unterschiedlicher Richtungen beanspruchen die alleinige Wahrheit für sich. Je extremer die eigene „Wahrheit“, desto vehementer wird diese mit Zähnen und Klauen verteidigt, indem man sie nicht etwa argumentativ darstellt, sondern Träger nicht genehmer Argumentationen persönlich zu diskreditieren sucht. So spart man sich die „lästige“ Diskussion um die Sache selbst und braucht nicht einmal echte Argumente.

Bekannt ist diese Problematik schon lange, aber es steuert niemand gegen. Das hätte auch schon längst geschehen müssen, aber die liebe Bequemlichkeit verhindert dies und manches Andere wie so oft im Leben. Es ist auch viel einfacher, sich aus allem herauszuhalten und nur noch um das eigene Geschäft zu kümmern. Sich für seine Branche einsetzen bringt kein Geld, wozu also sich die Mühe machen? Ein dummer Bauer würde sagen „wozu aussähen, das bringt mir nix, ich ernte lieber“ und vergisst dabei, dass der Boden, von dem man ernten möchte, zuvor bestellt sein will, sonst gibt es nämlich nichts zu ernten, oder immer weniger.

Die Branche ist unser Boden und wenn wir ihn nicht bestellen und pflegen, werden auch die Ernten immer magerer werden und schliesslich versiegen. Was geschieht, ist Raubbau und der Boden wird es nicht danken. Hier gegenzusteuern, ist längst überfällig und es hätte eigentlich bereits vor Jahren damit begonnen werden müssen. Statt immer mehr und immer neuer Geschäfte braucht’s mehr und breit mitgetragene Information und einen besseren Wissens- und Ausbildungsstand der Networker und Interessenten. Die Branche braucht dringend eine klare Linie, an der sich sowohl Networker als auch Interessenten orientieren können.

Industrie und Handelskammern, Wirtschaftskammern (Österreich) und Verbraucherzentralen formulieren schon seit Jahren Kriterien, auf die bei einem seriösen oder empfehlenswerten Geschäft geachtet werden sollte und die müssen endlich einmal in die Köpfe der Menschen und Networker hinein. Eine klare Linie tut hier not, aber man muss sich darüber auch klar sein, dass es keine Linie sein kann, die von ausnahmslos jedem Networker akzeptiert werden kann. Man muss hier auch den Mut und den Weg zur Abgrenzung und zu Reformen finden, statt sich weiter etwas vorzumachen. Von allein bessert sich allerdings nie etwas, nicht einmal, wenn man lange genug darauf wartet…

© 08.2009 by Norbert Warnke

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